Es war im Herbst, als ich mich für das Eistauchen anmeldete. Mich faszinierte die Vorstellung eines aussergewöhnlichen Tauchgangs an einer Location, wo man nicht einfach so jeden Tag tauchen geht. Da war die Entscheidung für den Spezialkurs Eistauchen schnell gefallen.
Die einzige Vorstellung von Eis habe ich aus der Filmszene, bei der die Titanic den Eisberg rammt und Leonardo di Caprio bald darauf in die Tiefe des Ozeans sinkt (hallo Hypothermie).
Nach langer Vorfreude heisst es dann endlich: «yes we can». Das Weekend findet statt. Das Abenteuer startet am Freitagnachmittag mit einem 45-minütigen Aufstieg vom Parkplatz auf dem Col des Mosses zur Hütte am Lac Lioson - Eistauchen muss verdient sein...;-). Zum Glück wird unser Gepäck und die ganzen Tauchausrüstungen mit dem Pistenfahrzeug hochgefahren. Jeder, der schon mal in unseren heimischen Gewässern getaucht ist, kennt die Materialschlacht. Und für alle anderen: Es benötigt «sau viel» für zwei Nächte in einer Berghütte und mehrere Tauchgänge unter dem Eis.
Der Aufstieg ist anstrengend aber auch sehr schön. Oben angekommen sehen wir nicht viel mehr als einen zugeschneiten See und irgndwo ein paar Stangen, die die Eislöcher markieren. Das wird ja spannend. Im «Restaurant du Lac Lioson» hat es normalerweise auf der Terrasse für gut 100 Personen Platz, drinnen für 80. Wir sind aber eine kleine Gruppe und halten uns streng an die Covid-19-Auflagen.
Den Abend lassen wir mit einem leckeren Essen, tollen Gesprächen und viel Vorfreude ausklingen.
Am Samstag um 9:00 Uhr ist es dann soweit. Die erste Gruppe startet. Mit dem wärmsten Unterzieher, der dicksten Kopfhaube, zwei ersten Stufen und genug Seil bahnen wir uns den Weg durch den Schnee. Es hat über Nacht noch rund 20cm geschneit. Eistauchen wäre ja nicht Eistauchen, wenn man nicht zuerst das vorbereitete Loch durchbrechen müsste. Und wie geht das am Besten? Man stellt 3 TSK-Mitarbeiter auf die Eisplatte, die tags zuvor mit der Bandsäge ausgeschnitten wurde, dann springen sie wie auf dem Trampolin rauf und runter - et voilà - schon ist das Eis durchbrochen und die Drei stecken bis zur Brust im Wasser. Natürlich im dichten Trockentauchanzug :-)
Damit das Eistauchen auch alle Sicherheitsstandards erfüllt, führt das Tauchteam eine Leine mit, die durch den Leinenführer an der Oberfläche gesichert wird. Zusätzlich steht ein Sicherungsteam bereit.
Alle sind parat und es geht das erste Mal ins 3 Grad kalte Wasser. «OK?» - «OK! Abtauchen!». Und wow, was für ein Abtauchen. Die rund 1 Meter dicke Eisdecke zeigt sich von ihrer besten Seite und es sind die verschiedenen Schichten und Strukturen gut zu sehen. Nach einem kurzen Check der beiden Atemregler (sie könnten unter Eis einfrieren und abblasen) geht das Erkunden, Entdecken und Geniessen richtig los. Die Sicht ist glasklar und sobald man unter der Eisschicht ist, wird es immer dunkler. Wobei mir der Blick aus der Ferne zurück zum Loch am Besten gefällt, da einem erst dabei richtig bewusst wird, dass man sich tatsächlich UNTER dem Eis befindet. Der Lichteinfall lässt die Eisdecke noch magischer wirken und es entstehen bizarre Formen durch unsere Luftblasen. Es braucht etwas Mut, sich kopfüber zu drehen und mit den Flossen die Eisdecke zu berühren, grad so, wie wenn man umgekehrt auf dem Eis gehen würde. Was für ein einmaliges Gefühl.
Zurück an der tatsächlichen Oberfläche wechseln wir uns als Team ab. Einmal als Leinenführer und einmal als Sicherungsteam, das dabei hilft, die Taucher aus dem Eisloch zu ziehen. Mit der schweren Ausrüstung ist das gar nicht so einfach und gleicht manchmal eher einem «Wal an Land ziehen»...;-)
Wir können so oft ins Wasser wie wir wollen, oder wie es die Kälte zulässt.
Am Abend geniessen wir alle die Wärme im Restaurant und das leckere Fondue. Wir freuen uns schon auf den zweiten Tag. Die Nacht wird durch die Umstellung auf die Sommerzeit eine Stunde kürzer, aber dafür werden wir mit wunderschönem Wetter beschenkt.
Auch wenn es um 8:00 Uhr noch einige Zeit dauert, bis die Sonne hinter den Berggipfeln aufgeht, hüpfe ich bereits wieder ins Wasser. Es ist kälter als am Samstag, das Wasser nur noch 1 Grad und nach dem ersten Tauchgang friert sofort alles ein: das Maskenglas, das Seil für die Halterung und sogar der nasse Tauchanzug. Umso mehr freuen wir uns, als uns endlich die Sonnenstrahlen erreichen und wir mit dem tollsten Lichteinfall tauchen können. Spektakuläre Aufnahmen werden gemacht und wir sammeln wunderbare Erinnerungen ans Eistauchen im Lac Lioson. Einfach nur grandios!
Nach dem obligaten Gruppenfoto und einer lustigen Schlittenfahrt zurück zum Col des Mosses endet ein unvergessliches Wochenende. Die Anmeldung für nächstes Jahr ist so gut wie abgeschickt ;-)
Herzlichen Dank an das Organisationsteam von TSK.
Text: Milena
Fotos: Maik / Manuel